16.02.2017

Review zu Marriage 2.0

Marriage 2.0

Positiv: Sehr ambtioniert, tolle Fotografie, erheblicher Aufwand, starke Leistungen der Darsteller, teilweise sehr romantisch

Negativ: Nichts für reine Pornofans


Urteil: Höhepunkt

Medium: DVD / Sprachen: Englisch / Extras: behind the scenes, Aufio Commentary, Outtakes, Alternate Takes / Label: Adam & Eve - Lionreach Productions

Covertext:



In Marriage 2.0, beautiful Bay Area documentarian India (India Summer) wants to love unconditionally - we all do - but as she pushes the boundaries of her relationship with her long-time boyfriend (Ryan Driller), she finds that tearing down boundaries is much easier than creating new rules to live by.
Lost in this new cultural landscape of the open relationship, India seeks the sage advice of luminaries such as Christopher Ryan (bestselling author of Sex at Dawn) and Nina Hartley (in an equally sexy, poignant, and hilarious performance as India's mother) - but will she follow it?
Set against the vivid, natural beauty of Northern California and San Francisco - the cultural epicenter of the alternative relationship movement - Marriage 2.0 celebrates a modern redefinition of the committed relationship as a springboard for adventure, where unfettered physical and emotional intimacy can fuel our passion while strengthening the bond with those we love.








Nach dem schmuddeligen Klassiker Femme De Sade war mir beim nächsten Film mal wieder nach etwas sanfteren und ernsteren Tönen. Ausgesucht hatte ich mir dafür die Lionreach/Adam & Eve Ko-Produktion Marriage 2.0.

Es geht um das Paar India und Eric die eine langjährige Beziehung miteinander haben und ziemlich glücklich sind. Doch bald stellt sich heraus, dass Eric noch eine weitere Beziehung hat. Mit der jüngeren Kara und India weiß davon und duldet es. Doch als sie an einem Dokumentarfilm arbeitet der sich um die Ehe, Monogamie und offene Ehen dreht und Eric sich zum ersten Mal auch an einem Wochenende mit Kara trifft, bröckelt die Beziehung immer mehr und India beginnt sich und andere Dinge immer mehr zu hinterfragen. Ist heutzutage eine normale, monogame Beziehung noch möglich und Zeitgemäß? 







Marriage 2.0 ist mehr Spielfilm als Porno und driftet eher in eine Richtung wie sie ein Film wie Shortbus einschlägt. Zwar steht der Sex hier mehr im Vordergrund und es gibt auch reichlich explizite Szenen, aber das ficken übernimmt niemals die Hauptrolle. Im Gegenteil. Der Sex wird passend in die Handlung mit eingebaut und vor allem immer mit einem überraschenden Realismus präsentiert. Dabei ist fast jede Szene einzigartig. Zu Beginn, wo man noch denkt India und Eric führen eine Musterbeziehung bevor die offen geführte Affäre mit Kara immer mehr Platz einnimmt, bekommt man zwei verdammt scharfe Sexszenen geboten, die man so kaum in einen Porno findet. Vor allem die zweite wirkt so echt und dadurch verdammt erotisch. Es wird geküsst, mal gelächelt , gestreichelt, geleckt, kurz angeblasen, sanft gevögelt und mit einem Handjob die Sache beendet. Die Chemie zwischen India Summer und Ryan Driller als Eric ist verblüffend. Zu keinem Moment hat man den Eindruck, dass die beiden nicht ein Paar sind. Das gibt ihren beiden Sexzenen diesen Reiz der Intimität und Erotik, wie ihn nur wenige Filme aus dem Bereich erreichen.








Doch so perfekt ist die Partnerschaft dann doch nicht. Vor allem India hinterfragt sich immer mehr, warum Eric eine weitere Beziehung am Laufen hat und führt über die Sache diverse Gespräche mit den unterschiedlichsten Leuten. Ob mit ihrer Mutter (Porno-Legende Nina Hartley in einem netten Cameo), ihren Freundinnen oder auch mit Chris Ryan der auch im wirklichen Leben sich mit diesen Themen beschäftigt. Und da macht der Film auf der Handlungsebne verdammt viel richtig. Denn statt eine Partei einzunehmen, zeigt Regisseur Paul Deeb diverse Ansichten und Meinungen ohne zu Urteilen was richtig oder falsch ist. Denn die Leute selbst müssen entscheiden wie sie ihr Leben führen möchten und ob sie mit einer offenen oder monogamen Beziehung glücklicher sind. Nur unterdrücken sollte man seine Wünsche nicht und vor allem darüber reden.   








   
So kommt auch India immer mehr ins schwanken was richtig und falsch ist und was sie glücklich macht. Auf einer Swinger Party, zusammen mit Eric, möchte sie sich austesten doch nach anfänglicher Begeisterung sieht sie Eric beim Sex mit Kara – die unerwartet ebenfalls dort auftaucht – und das ist einfach zu viel für sie und sie schmeißt ihn beim nächsten Streit hinaus. Als dieser bei Kara Zuflucht finden möchte, weißt sie ihn aber auch darauf hin, dass er nur eine Nacht bleiben kann, da sie die Nähe zu ihm nicht möchte. In der Zwischenzeit bandelt India mit einem Kerl von der Swinger Party an und nach einem schönen Abend in einem Club oder dem Kino und etlichen erotischen Tagträumen ihrerseits, hat  sie doch Sex mit ihm. 







Diese letzte halbe Stunde ist dabei nicht nur sehr toll gefilmt und watet sogar mit einem Live-Auftritt in einer Bar auf, sondern überrascht mit der Aussage des Mannes (gespielt von Mickey Mod), dass er begeistert ist von ihrer echten Liebe und ihrer tiefen und festen Beziehung zu Eric. Aber auch das diese durch eine offene Beziehung durchaus verstärkt werden kann. Genau diese Aussage bringt sie wieder zurück zu ihm und trotzdem bleibt das Ende ein Stück offen. 







Na klar. Einige Aussagen und Ansichten der Beteiligten – oder besser gesagt von Drehbuch Autor und Produzent Magnus Sullivan -  scheinen nicht immer Zeitgemäß und passend. Doch ist das wirklich so? Wer entscheidet was richtig oder falsch ist? Natürlich fragte ich mich auch beim schauen, warum der Mann in der Beziehung die offene Beziehung führen will mit einer jüngeren? Und warum hat sie es nötig das mitzumachen. Sind wir nicht weiter als das? Aber ist das wirklich so? Können Frauen nicht eher über den Makel einer weiteren Frau hinwegsehen als Männer, wenn sie dafür sonst alles haben was sie glücklich macht? Sind Männer nicht eher in ihrem Stolz getroffen wenn eine Frau eine Affäre beginnt?   






Ihr seht, der Film stellt einige schwierige Fragen und das ist für einen Porno schon ungewohnt anspruchsvoll. Aber ich glaube auch, dass die Macher ihren Film nicht als Porno sehen. Sondern als Drama mit Hardcore Elementen.  Damit jenes funktioniert, muss natürlich alles andere Stimmen. Ganz vorne die Darsteller und hier kann man wirklich nicht meckern. Abseits von den typischen Frauen aus der Sexbranche, bekommt man hier eine bunte Mischung aus Personen, die weder optisch (nicht immer attraktiv, behaarte Achseln) noch immer vom Alter in einen Porno passen. Doch auch hier: Wer setzt das fest? Angeführt wird das Ganze aber von India Summer und Ryan Driller, die ein tolles Duo abgeben. India schafft es ihre Verletzlichkeit und Unsicherheit überzeugend dazulegen, während Ryan versucht die Beziehung am Leben zu halten. Driller war eh schon immer ein guter Darsteller, liefert hier aber seine bisher beste Leistung. Auch die Nebenrollen sind gut besetzt und alles wirkt natürlich und echt. Vermutlich weil der Film eh einen Dokumentarischen-Stil an den Tag legt und einige Laiendarsteller dabei improvisieren und überzeigen können. 






Auch die technische Seite und der Aufwand ist nicht zu verachten. Beim Sex wird zwar nur selten wirklich Nah draufgehalten, aber die Kamera ist immer in Bewegung und fängt sowohl beim Sex als auch sonst schöne Bilder ein. Vor allem die zweite Szene und die Szene im Kino (leider zu kurz) ist wirklich Sex von hoher Qualität. Auch sonst gibt es mit diversen Außenaufnahmen, Szenen in einem Cafe, einem Kino oder auch einem Nachtclub  mit Live Musik eine große Brandbreite und ist wirklich nicht mehr alltäglich. Die Fotografie ist teilweise echt schön und man bemerkt das gelernte Auge der Regie. Dabei ist die Musik (von Regisseur Paul Deeb) passend, wenn auch manchmal etwas zu klebrig. 










Adam & Eve produzieren meist nur wenige Titel im Jahr und oftmals in Ko-Produktionen. Aber man muss einfach zugeben, dass sie dafür sehr hochwertige Adult-Streifen abliefern. Marriage 2.0 ist ein sehr ambitioniertes Projekt gewesen und auch wenn vielleicht nicht alles rund läuft, ist das sicherlich einer der besten Filme, die Porno und Mainstream heutzutage kreuzen. Die kurzen aber abwechslungsreichen, relativ mit vielen Schnitten versehnen Sexszenen (manchmal in S/W, manchmal gelblich verfärbt, etwas Orgie, etwas Bondage), sind teilweise erregend, aber trotzdem nie der Mittelpunt des Filmes. Dafür gibt es wirklich diverse Dialoge, leiser Humor der funktioniert und tolle Bilder. Für Pornofans, die nur eine schnelle Nummer sehen möchten, ist der Film sicherlich gar nichts. Für aufgeschlossene Paare, vor allem auch Frauen aber auch Leute die sich nicht für Pornos begeistern können, ist der Film sehenswert. Doch man sollte sich gut überlegen ob man das Thema dann im Nachhinein mit dem Partner wirklich diskutieren möchte. Es wird nicht immer friedlich ausgehen, denke ich...





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