Marriage 2.0
Positiv: Sehr ambtioniert, tolle Fotografie, erheblicher Aufwand, starke Leistungen der Darsteller, teilweise sehr romantisch
Negativ: Nichts für reine Pornofans
Urteil: Höhepunkt
Medium: DVD / Sprachen: Englisch / Extras: behind the scenes, Aufio Commentary, Outtakes, Alternate Takes / Label: Adam & Eve - Lionreach Productions
Covertext:
In Marriage 2.0, beautiful Bay Area documentarian India (India
Summer) wants to love unconditionally - we all do - but as she pushes the
boundaries of her relationship with her long-time boyfriend (Ryan Driller), she
finds that tearing down boundaries is much easier than creating new rules to
live by.
Lost in this new cultural landscape of the open relationship, India seeks
the sage advice of luminaries such as Christopher Ryan (bestselling author of Sex
at Dawn) and Nina Hartley (in an equally sexy, poignant, and hilarious
performance as India's mother) - but will she follow it?
Set against the vivid, natural beauty of Northern California and San
Francisco - the cultural epicenter of the alternative relationship movement - Marriage
2.0 celebrates a modern redefinition of the committed relationship as a
springboard for adventure, where unfettered physical and emotional intimacy can
fuel our passion while strengthening the bond with those we love.
Nach dem schmuddeligen Klassiker Femme De Sade war mir beim nächsten Film mal
wieder nach etwas sanfteren und ernsteren Tönen. Ausgesucht hatte ich mir dafür
die Lionreach/Adam & Eve Ko-Produktion Marriage 2.0.
Es geht um das Paar India und Eric die eine langjährige
Beziehung miteinander haben und ziemlich glücklich sind. Doch bald stellt sich
heraus, dass Eric noch eine weitere Beziehung hat. Mit der jüngeren Kara und
India weiß davon und duldet es. Doch als sie an einem Dokumentarfilm arbeitet
der sich um die Ehe, Monogamie und offene Ehen dreht und Eric sich zum ersten
Mal auch an einem Wochenende mit Kara trifft, bröckelt die Beziehung immer mehr
und India beginnt sich und andere Dinge immer mehr zu hinterfragen. Ist heutzutage eine normale, monogame Beziehung noch möglich und Zeitgemäß?
Marriage 2.0 ist mehr Spielfilm als Porno und driftet eher
in eine Richtung wie sie ein Film wie Shortbus einschlägt. Zwar steht der Sex
hier mehr im Vordergrund und es gibt auch reichlich explizite Szenen, aber das
ficken übernimmt niemals die Hauptrolle. Im Gegenteil. Der Sex wird passend in
die Handlung mit eingebaut und vor allem immer mit einem überraschenden
Realismus präsentiert. Dabei ist fast jede Szene einzigartig. Zu Beginn, wo man
noch denkt India und Eric führen eine Musterbeziehung bevor die offen geführte
Affäre mit Kara immer mehr Platz einnimmt, bekommt man zwei verdammt scharfe Sexszenen
geboten, die man so kaum in einen Porno findet. Vor allem die zweite wirkt
so echt und dadurch verdammt erotisch. Es wird geküsst, mal gelächelt , gestreichelt,
geleckt, kurz angeblasen, sanft gevögelt und mit einem Handjob die Sache
beendet. Die Chemie zwischen India Summer und Ryan Driller als Eric ist
verblüffend. Zu keinem Moment hat man den Eindruck, dass die beiden nicht ein
Paar sind. Das gibt ihren beiden Sexzenen diesen Reiz der Intimität und Erotik,
wie ihn nur wenige Filme aus dem Bereich erreichen.
Doch so perfekt ist
die Partnerschaft dann doch nicht. Vor allem India hinterfragt sich immer mehr,
warum Eric eine weitere Beziehung am Laufen hat und führt über die Sache
diverse Gespräche mit den unterschiedlichsten Leuten. Ob mit ihrer Mutter
(Porno-Legende Nina Hartley in einem netten Cameo), ihren Freundinnen oder auch
mit Chris Ryan der auch im wirklichen Leben sich mit diesen Themen beschäftigt.
Und da macht der Film auf der Handlungsebne verdammt viel richtig. Denn statt
eine Partei einzunehmen, zeigt Regisseur Paul Deeb diverse Ansichten und
Meinungen ohne zu Urteilen was richtig oder falsch ist. Denn die Leute selbst
müssen entscheiden wie sie ihr Leben führen möchten und ob sie mit einer
offenen oder monogamen Beziehung glücklicher sind. Nur unterdrücken sollte man
seine Wünsche nicht und vor allem darüber reden.
So kommt auch India immer mehr ins schwanken was richtig und
falsch ist und was sie glücklich macht. Auf einer Swinger Party, zusammen mit
Eric, möchte sie sich austesten doch nach anfänglicher Begeisterung sieht sie
Eric beim Sex mit Kara – die unerwartet ebenfalls dort auftaucht – und das ist
einfach zu viel für sie und sie schmeißt ihn beim nächsten Streit hinaus. Als
dieser bei Kara Zuflucht finden möchte, weißt sie ihn aber auch darauf hin,
dass er nur eine Nacht bleiben kann, da sie die Nähe zu ihm nicht möchte. In
der Zwischenzeit bandelt India mit einem Kerl von der Swinger Party an und nach
einem schönen Abend in einem Club oder dem Kino und etlichen erotischen Tagträumen
ihrerseits, hat sie doch Sex mit ihm.
Diese letzte halbe Stunde ist dabei nicht nur sehr toll
gefilmt und watet sogar mit einem Live-Auftritt in einer Bar auf, sondern
überrascht mit der Aussage des Mannes (gespielt von Mickey Mod), dass er
begeistert ist von ihrer echten Liebe und ihrer tiefen und festen Beziehung zu
Eric. Aber auch das diese durch eine offene Beziehung durchaus verstärkt werden kann. Genau
diese Aussage bringt sie wieder zurück zu ihm und trotzdem bleibt das Ende ein
Stück offen.
Na klar. Einige Aussagen und Ansichten der Beteiligten –
oder besser gesagt von Drehbuch Autor und Produzent Magnus Sullivan - scheinen nicht immer Zeitgemäß und passend.
Doch ist das wirklich so? Wer entscheidet was richtig oder falsch ist?
Natürlich fragte ich mich auch beim schauen, warum der Mann in der Beziehung
die offene Beziehung führen will mit einer jüngeren? Und warum hat sie es nötig
das mitzumachen. Sind wir nicht weiter als das? Aber ist das wirklich so?
Können Frauen nicht eher über den Makel einer weiteren Frau hinwegsehen als
Männer, wenn sie dafür sonst alles haben was sie glücklich macht? Sind Männer
nicht eher in ihrem Stolz getroffen wenn eine Frau eine Affäre beginnt?
Ihr seht, der Film stellt einige schwierige Fragen und das ist für einen Porno schon ungewohnt anspruchsvoll. Aber ich glaube auch, dass die Macher ihren Film nicht als Porno sehen. Sondern als Drama mit Hardcore Elementen. Damit jenes funktioniert, muss natürlich alles andere Stimmen. Ganz vorne die Darsteller und hier kann man wirklich nicht meckern. Abseits von den typischen Frauen aus der Sexbranche, bekommt man hier eine bunte Mischung aus Personen, die weder optisch (nicht immer attraktiv, behaarte Achseln) noch immer vom Alter in einen Porno passen. Doch auch hier: Wer setzt das fest? Angeführt wird das Ganze aber von India Summer und Ryan Driller, die ein tolles Duo abgeben. India schafft es ihre Verletzlichkeit und Unsicherheit überzeugend dazulegen, während Ryan versucht die Beziehung am Leben zu halten. Driller war eh schon immer ein guter Darsteller, liefert hier aber seine bisher beste Leistung. Auch die Nebenrollen sind gut besetzt und alles wirkt natürlich und echt. Vermutlich weil der Film eh einen Dokumentarischen-Stil an den Tag legt und einige Laiendarsteller dabei improvisieren und überzeigen können.
Auch die technische Seite und der Aufwand ist nicht zu
verachten. Beim Sex wird zwar nur selten wirklich Nah draufgehalten, aber die
Kamera ist immer in Bewegung und fängt sowohl beim Sex als auch sonst schöne
Bilder ein. Vor allem die zweite Szene und die Szene im Kino (leider zu kurz) ist wirklich Sex
von hoher Qualität. Auch sonst gibt es mit diversen Außenaufnahmen, Szenen in
einem Cafe, einem Kino oder auch einem Nachtclub mit Live Musik eine große Brandbreite und ist
wirklich nicht mehr alltäglich. Die Fotografie ist teilweise echt schön und man
bemerkt das gelernte Auge der Regie. Dabei ist die Musik (von Regisseur Paul Deeb)
passend, wenn auch manchmal etwas zu klebrig.
Adam & Eve produzieren meist nur wenige Titel im Jahr
und oftmals in Ko-Produktionen. Aber man muss einfach zugeben, dass sie dafür
sehr hochwertige Adult-Streifen abliefern. Marriage 2.0 ist ein sehr ambitioniertes
Projekt gewesen und auch wenn vielleicht nicht alles rund läuft, ist das sicherlich
einer der besten Filme, die Porno und Mainstream heutzutage kreuzen. Die kurzen
aber abwechslungsreichen, relativ mit vielen Schnitten versehnen Sexszenen
(manchmal in S/W, manchmal gelblich verfärbt, etwas Orgie, etwas Bondage), sind
teilweise erregend, aber trotzdem nie der Mittelpunt des Filmes. Dafür gibt es
wirklich diverse Dialoge, leiser Humor der funktioniert und tolle Bilder. Für
Pornofans, die nur eine schnelle Nummer sehen möchten, ist der Film sicherlich
gar nichts. Für aufgeschlossene Paare, vor allem auch Frauen aber auch Leute die sich nicht für Pornos
begeistern können, ist der Film sehenswert. Doch man sollte sich gut überlegen
ob man das Thema dann im Nachhinein mit dem Partner wirklich diskutieren
möchte. Es wird nicht immer friedlich ausgehen, denke ich...
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